Mit den Jahren kriegt man ein Gespür für Networking und Kontaktmanagement, das sehr wertvoll ist. Man macht die Fehler nicht zwei Mal. Und das alles zahlt sich im Geschäft aus."

Christl Lauterbach war überzeugt vom Erfolg Ihrer Geschäftsidee, entstanden in der Forschungsabteilung eines Großkonzerns. Zur Weiterentwicklung gründete sie eine eigene Firma. Nach zehn Jahren ist Future-Shape heute ein etabliertes Unternehmen. Mit ihrem Produkt SensFloor sind sie Vorreiter im Bereich AAL-Lösungen (Ambient Assisted Living). Wir blicken auf die Anfänge zurück.

Kurzprofilhttp://www.gruenderoekosystem.de/wp-content/uploads/2015/09/Lauterbach_2011.jpg

  • Gründerin: Christl Lauterbach
  • Unternehmen: Future Shape
  • Standort: Höhenkirchen (Bayern)
  • Gründungsalter: 46 Jahre
  • Gründung: 2005
  • Mitarbeiter/innen: 8 (im Kerngeschäft: Forschung und Entwicklung)

Frau Lauterbach, was macht Future-Shape? Wie wurde Ihr Unternehmen gegründet?
Christl Lauterbach: Ich komme ursprünglich aus der Forschung eines Großkonzerns, wo ich ungefähr 25 Jahre tätig war. Halbleitertechnologie und Schaltungstechnik war mein Hintergrund. Ich war in der Corporate Research in der Gruppe „Emerging Technologies“. Unser Auftrag war, neue Zukunftsanwendungen für die Mikroelektronik zu erforschen. Wir kamen relativ schnell auf die Idee Textil und Mikroelektronikchips zu kombinieren, die heute sogenannten Wearable Electronics. Ich selbst hatte die Idee, einen sensitiven Fußboden, der auf Näherung reagiert, zu entwickeln und zum Produkt zu machen.

SensFloor kann unter feste Bodenbelage eingebaut werden und ist praktisch unsichtbar

2005 stellte der neue CEO (Chief Executive Officer) die Zentrale Forschung komplett ein. Ich bekam ein neues Jobangebot innerhalb der Firma, mit dem ich einen Karrieresprung gemacht hätte. Der Nachteil: Damit wäre mein Sensorboden weg gewesen. Mein Mann, der bereits kurz nach dem Elektrotechnik-Studium gegründet hatte, stieg dann als Investor in die neue Firma ein. Mit diesem Geld und einer BMBF-Förderung (Bundesministerium für Bildung und Forschung) hätten wir die ersten drei Jahre gut überstanden, die wir für die grundlegende Produktentwicklung brauchten. Leider ist uns in dieser Zeit unser Industriepartner im Forschungsantrag abgesprungen und die Finanzierung geplatzt.

Der Verlust dieses Projektpartners war sicherlich eine harte Probe. Wie haben Sie reagiert?
Christl Lauterbach: Ich habe mich entschieden, auch ohne ihn weiterzumachen. Das hatte aber damals zur Folge, dass ich mehr Kredite brauchte und auf einen Teil der Investition für die Produktentwicklung verzichten musste, womit sich die Zeit bis zum Markteintritt natürlich deutlich verlängert hat.

Sie hatten das Geld für die Anschubfinanzierung bekommen. Wie ging es dann weiter?
Christl Lauterbach: Später haben wir dann doch relativ viele Fördergelder einwerben können: vom BMBF, vom ZIM (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) und aus Projekten der Europäischen Union. Der Vorteil daraus: sie helfen auch noch dazu, die Bekanntheit zu erhöhen.

Wir kommen jetzt langsam zum Thema Alter. Wie alt waren Sie zum Zeitpunkt der Gründung?
Christl Lauterbach: Ich habe mit 46 Jahren gegründet.

Mit 46 Jahren waren Sie ja nicht alt, aber auch keine „blutjunge“ Person mehr. Wie wirkte sich dies in ihrem Fall konkret auf die Gründung auf?
Christl Lauterbach: Man muss bedenken, dass ich aus der Forschung gründen wollte. Forschungsintensive Projekte brauchen in der Regel einen langen Atem. Alter im Sinne von Wissen und Erfahrung wird zum einen zum Wettbewerbsvorteil in Bezug auf Durchhaltevermögen. Wir wollten mit SensFloor ein neues Produkt für einen neuen Markt entwickeln und positionieren. Man muss lange Durststrecken überstehen, bis sich das neue Geschäftsmodell wirtschaftlich rentiert. Vom Businessmodel und der notwendigen Entwicklung her war mir klar, dass ich mindestens sieben Jahre brauchen werde, um das Produkt marktreif zu entwickeln, bekanntzumachen und zu etablieren. So war es in der Tat.

Es hat sich aber gelohnt. Ihr Unternehmen Future-Shape befindet sich aktuell auf Expansionskurs.
Christl Lauterbach: Es läuft derzeit ziemlich gut. Jetzt ist unser Sensorboden fertig, wir gehen auf die Baustelle und installieren. Von letztem zum laufenden Jahr haben wir bereits die vierfache Angebotssumme geschrieben. Wir sind gerade dabei, die Produktion hochzufahren und Teile an eine andere Firma in der Nähe zu verlagern. Es kommen neue Anforderungen auf uns zu. Wir sind bereits in weiteren Ländern, zum Beispiel Frankreich und Schweiz, vertreten. Aktuell sind wir dabei, Kooperation mit Firmen der Gebäudeautomotion im europäischen Ausland zu schließen. Für die internationale Expansion bauen wir auch Handelskooperationen mit einheimischen Firmen auf. Es nimmt richtig an Fahrt auf.

Es klingt spannend. Und von der Anwendung her, könnte man sagen, ist Ihr Produkt SensFloor unmittelbar mit dem demographischen Wandel verbunden.
Christl Lauterbach: 
Ja, unser Sensorboden ist im Bereich AAL vielfältig anwendbar. Er erkennt Personen, die drüber laufen, kann Anzahl, Richtung und Geschwindigkeit bestimmen und Personen, die am Boden liegen von stehenden unterscheiden. Damit ist er viel intelligenter als ein Bewegungsmelder. Im öffentlichen Bereich - Krankenhäuser, Pflegeheime, besonders Demenzabteilungen, neurologische Kliniken - in Deutschland und Europa gibt es ein großes Potenzial. Im Geschäft mit privaten Kunden kommen wir jetzt schon langsam rein, SmartHome ist ein richtiger Zukunftstrend. Letztes Jahr haben wir ein Musterhaus gebaut und nun beginnt der Verkauf. Unser Sensorboden ist eher für ein gehobenes Segment geeignet - Seniorenresidenzen, einzelne Villas -.

Welchen positiven als auch negativen Erfahrungen während der Gründung haben Sie gemacht, die Sie mit dem Alter verbinden?
Christl Lauterbach: Negative Erfahrungen habe ich keine gemacht. Vorteile hingegen kann ich viele benennen. Zehn Jahre früher hätte mir nicht nur die Erfahrung gefehlt, sondern auch die notwendigen Netzwerke und Kontakte. Da ich in einer exponierten Gruppe der Forschung tätig war, waren wir in vielen Netzwerken eingebunden. Darüber hinaus kriegt man mit den Jahren automatisch ein Gespür für Networking und Kontaktmanagement, das sehr wertvoll ist. Mit zunehmenden Alter wird man auch noch lockerer und entspannter. Das hilft, große Fehler zu vermeiden. Die Euphorie der jungen Jahre ist zwar nicht mehr da, dafür ist eine realistische Einschätzung sehr wertvoll.

Wer hat Ihnen geholfen? Woher haben Sie die Unterstützung bekommen, die Sie für die Gründung benötigten?
Christl Lauterbach: Ich habe von zwei Seiten eine großartige Unterstützung bekommen. Zum einen hat mein Mann natürlich geholfen, nicht nur finanziell, sondern vor allem im Umgang mit Vorschriften, Richtlinien, usw. Zum anderen waren die Förderprojekte, insbesondere vom BMBF, auch eine gute Hilfe im Geschäft. Denn Sie schaffen Bekanntheit und erweiterten die Anwendungsgebiete. Auch die Beteiligung an BMWi-Projekten (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), wie z.B. das Zertifizierungsprogramm Smart Home, ist in diesem Sinne erwähnenswert.

Welchen Rat würden Sie Gründungswilligen geben, die wie Sie damals mit der Idee spielen, in der Lebensmitte zu starten?
Christl Lauterbach: Finanzierung, Finanzierung und nochmal Finanzierung. Hinzu kommt, dass bei Gründungen aus der Forschung längere Zeiten eingeplant werden sollte. Gerade wegen der langen Planungs- und Entwicklungsphasen ist es bei dieser Art von Gründungen besonders wichtig, dass die Finanzierung stimmt.

Und das Beste zum Schluss: Das Geschäft läuft so gut, dass Sie es nun erneut wagen, noch einmal zu gründen. Dürfen wir das an dieser Stelle schon verraten?
Christl Lauterbach: Ja, wir werden eine neue Firma, SensFloor, gründen. Sie wird sich auf Produktion, Vertrieb und Wartung des gleichnamigen Produkts konzentrieren, während Future-Shape sich der Forschung und Entwicklung neuer Geschäftsideen und Produkte widmen soll. SensFloor ist dann wieder ein Startup und bei Future-Shape können uns auf unsere Kernkompetenz, in diesem Fall die Forschung, konzentrieren und weiter spinnen.

Wir drücken Ihnen die Daumen. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin.

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