Ich wollte eine neue Herausforderung und flexibel arbeiten. Nun habe ich mehr Zeit für mich und für meine Familie“
Die Altmark ist ein beschaulicher Landstrich. Eher ländlich und ruhig. So wie auch der Ort Bismark. Genau hier ist das Logistikunternehmen von Renate Meidt angesiedelt, gute 15 Kilometer nordwestlich der Kreisstadt Stendal. Kein Problem: Internet und Telefon reichen.
Kurzprofil
- Gründerin: Renate Meidt
- Unternehmen: Renate Meidt Logistic Services GmbH
- Standort: Bismark,OT Kläden (Sachsen-Anhalt)
- Gründungsalter: 55 Jahre
- Gründung: 2011
- Mitarbeiter/innen: 2
- Preisträgerin im WOMEN-Wettbewerb “Frauen gestalten Zukunft”
Frau Meidt, was machen Sie als selbstständige Unternehmerin?
Renate Meidt: Ich habe eine Spedition, also ein Logistikunternehmen, sagen wir es mal so.
Was transportieren Sie?
Renate Meidt: Alles, was so groß oder so schwer ist, dass man es auf einen Lkw laden muss.
Was hat Sie dazu verleitet zu sagen: Das ist genau die richtige Idee, um mich hier in Bismark auf dem Lande mit dieser Dienstleistung selbstständig zu machen?
Renate Meidt: Ich habe seit über 20 Jahren in dieser Branche gearbeitet, und zwar als angestellte Disponentin in der Spedition einer großen Firma in der Stadt. Und da habe ich dann überlegt: Du fährst jetzt jeden Tag 35 Kilometer hin, 35 wieder zurück. Man könnte das Gleiche auch hier von zu Hause aus auf eigene Rechnung machen. Schnelles Internet haben wir ja. Und dann haben meine Kinder und ich überlegt: Wie genau sähe die Arbeit von zu Hause aus? Und was brauchen wir: PC, Drucker, Scanner, Telefon. Das war also überschaubar, auch von den Anschaffungskosten her.
Haben Sie denn keine eigenen Lkw?
Renate Meidt: Nein. Ich bekomme einen Auftrag und kaufe mir dafür den Lkw praktisch ein. Also, ich bediene mich der Lkw anderer Spediteure. Und diese anderen Spediteure sind natürlich happy: Die kriegen von mir die Ladungen und freuen sich, dass sie nicht leer fahren müssen.
Und woher haben Sie Ihre Kunden?
Renate Meidt: Die meisten habe ich bei meiner vorherigen Tätigkeit kennengelernt und sind mir sozusagen treu geblieben. Einige sind Stammkunden geworden.
Sie hätten auch weiter angestellt bleiben können und kein unternehmerisches Risiko gehabt. Warum haben Sie sich selbständig gemacht?
Renate Meidt: Der Betrieb, bei dem ich angestellt war, ist nach der Wende hier in der Altmark entstanden. Das war natürlich für mich eine Riesenaufgabe, dort alles mit aufzubauen, das hat richtig Spaß gemacht. Das war etwas, wovon man sagen konnte: Jawohl, das habe ich mit geschaffen. Hier ist mein Werk mit drin. Aber der Disponentenjob, den ich hatte, war mir – kurz gesagt – zu langweilig. Obwohl: Langweilig war die Arbeit eigentlich nicht, langweilig ist falsch ausgedrückt. Disponenten haben schon Stress. Ich wollte eine neue Herausforderung.
Als Sie die Entscheidung getroffen haben zu gründen, wie alt waren Sie da?
Renate Meidt: Wie alt war ich da? 55.
Wie lange ist das jetzt her?
Renate Meidt: Vier Jahre.
Und wie läuft es?
Renate Meidt: Ich bin zufrieden.
Sie waren also nicht 25, als Sie gegründet haben, sondern 55. Hat sich das irgendwie ausgewirkt?
Renate Meidt: Mein erstes Gespräch in der Bank hat ca. vier Stunden oder länger gedauert. Und das sagt schon vieles aus. Dabei brauchte ich für den Start nicht viel: PC, Drucker, Kopierer, Telefon und ein paar Kleinigkeiten: Das habe ich aus eigener Tasche bezahlt. Es ging vielmehr um die Vorfinanzierung der Aufträge, da ich bei den Spediteuren in Vorkasse gehe. Mein Businessplan war super aufgestellt.
Ich hatte dafür einen genauen Plan. Wann läuft ein Transport? Wann kann ich die Rechnungen rausschicken? Wann kriege ich das Geld? Und das hatte bis dahin alles bis auf den Tag genau funktioniert. Aber eine Reserve war für mich wichtig, denn auch bei der Kundschaft gibt es mal Urlaub oder Ähnliches, und schon kommt der Geldfluss ins Stocken. Der Punkt war auch: Ich war ja schon selbstständig, meine Kunden sind ja zum Teil mitgekommen. Ich wollte ja auch nicht mehr zurück.
Das heißt, Sie wollten einen Kredit von ihnen, und den haben Sie auch bekommen?
Meidt: Nein, man hat mir keinen Investitionskredit gegeben, weil Spedition die falsche Branche ist. Da gibt es nun mal sehr, sehr viele Probleme. Aber mit Hilfe einer Bürgschaft der Bürgschaftsbank habe ich einen erweiterten Kontokorrentrahmen bekommen. Was ich auch gar nicht so verkehrt finde. Denn da zahle ich wirklich nur die Zinsen für das, was ich brauche, wenn ich bei den Spediteuren in Vorkasse gehe.
Was haben die Banker dann so lange überlegen müssen?
Renate Meidt: Man hat mir schon die Frage gestellt, warum ich mich selbstständig mache, warum ich nicht in dem Job bleibe, den ich jetzt habe. Ich hatte immerhin einen im Vergleich zu vielen anderen Leuten verhältnismäßig sicheren und vernünftigen Job: Im größten Zellstoffwerk Europas zu arbeiten, das ist schon was. Also von der Seite her hat jeder gedacht: Was soll der Quatsch – warum? Erst mal musste ich sie davon überzeugen, dass es für mich Sinn macht, dass ich mich selbständig mache. Und noch dazu in meinem Alter. Ich musste ihnen klar machen, dass ich innerhalb von einem Jahr über 400 Überstunden gemacht habe. Morgens um sieben los, abends halb acht, acht zu Hause. An den Wochenenden fix und fertig. Das war auch der erste Grund, weshalb ich gesagt habe, nein, ich höre auf als Angestellte. Dann kam noch mein einer Sohn und sagte: Du wirst Oma. Und weil ich was von dem Kleinen haben wollte, da blieb mir nichts weiter übrig, ja. Und der dritte Grund: Ich wusste, wovon ich rede, und dass man mir in meiner Branche auch so schnell nichts vormachen kann. Nachdem wir dann eine Zeit lang gesprochen hatten, haben die Bankleute das auch eingesehen. Wenn ich die heute treffe, finden sie das alles toll.
Und? Haben Sie jetzt wirklich mehr Zeit? Als Selbständiger arbeitet man doch selbst und ständig.
Renate Meidt: Ich bin den ganzen Tag zwar im Büro, ja. Aber ich habe mehr Ruhe als vorher, das ist entspannter, als im Großraumbüro in der Disposition mit acht Disponenten zu sitzen, wo der Chef ewig durchläuft, wo die Fahrer reinkommen und sich unterhalten usw. Und hier habe ich stattdessen meinen kleinen Enkel ab und zu. Der ist mit mir im Büro, da muss er mitmachen. Macht er auch schon sehr geschickt, geht schon ans Telefon und sagt: Hallo. Mit drei Jahren. Also, das ist schon schön.
Sie waren lange angestellt, jetzt selbständig. Das macht man nicht aus dem Stand. Wer hat Ihnen auf dem Weg, Unternehmerin zu werden, geholfen?
Renate Meidt: Also, ich habe Ostern 2011 mit meinem einen Sohn das erste Mal darüber geredet. Da war ich noch angestellt. Wir haben auf einen Zettel geschrieben, was wir machen wollen, und was wir dafür brauchen. Dann habe ich mit meinen beiden anderen Kindern überlegt, wie das im Computer aussehen kann, wenn ich Rechnungen schreibe, Transportaufträge erstelle usw. Da mein einer Sohn Programmierer ist, hat er eine Wahnsinns-Excel-Tabelle begonnen, die meine Tochter nachher vollendet hat. Mit der kann ich jedes Geschäftsdokument auf Knopfdruck erstellen. Wenn ich eine Rechnung schreibe, gebe ich die Adresse und drei verschiedene Zahlenreihen ein, und die Rechnung ist fertig.
Dann habe ich mich beim Innovations- und Gründerzentrum BIC in Stendal erkundigt und gefragt: Was muss ich bedenken? Was kann ich tun? Da ging es um das Für und Wider einer Gründung, die Kosten oder auch die erforderlichen Qualifikationen. Die meisten hatte ich ja. Dann habe ich mir noch einen Steuerberater gesucht, mit dem ich etliche Male gesprochen habe, z.B. darüber, welche Rechtsform ich nehmen soll? Am 5. September haben wir schließlich die GmbH gegründet, und am 5. Oktober 2011 habe ich angefangen als Selbstständige zu arbeiten.
Sie sagen immer wieder mal „wir“. Das heißt, es gibt ein Familienunternehmen auf Ihren Namen?
Renate Meidt: Ja. Meine drei Kinder sind Gesellschafter in dieser GmbH. Aber hier arbeite nur ich. Obwohl die Kinder immer mal ran müssen, wenn ich mit dem PC Probleme habe oder so. Wir haben hier schon etliche Wochenenden gesessen.
Würden Sie es noch mal so machen?
Renate Meidt: Wenn ich die Wahl hätte – ja, auf jeden Fall. Obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, wie es mir dabei ginge, mit 60 noch mal bei null anzufangen. Es läuft zwar alles prima mit der Arbeit. Aber man könnte noch so viel machen. Es gibt auch noch was Anderes neben der Arbeit?
Wenn Sie jemand mit 55 um Rat fragt: Soll ich mich selbständig machen oder nicht? Welchen Rat würden Sie so jemandem mit auf den Weg geben?
Renate Meidt: Mich hatte tatsächlich im Frühjahr eine Frau um die 60 angesprochen. Sie hat überlegt, ob sie sich mit einem Ingenieurbüro für Umweltschutz selbständig machen soll oder nicht. Sie hatte im Prinzip keine Alternative. Sie war arbeitslos und musste irgendetwas machen. Ich habe ihr gesagt, sie soll, wenn sie weiß, dass sie mit dem einen oder anderen Kunden, mit dem sie vorher gern zusammengearbeitet hat, auch als Selbständige rechnen kann. Und sie hat sich jetzt selbständig gemacht. Ich habe sie im Juni getroffen, und da sagte sie: Es ist genau richtig gewesen. Die ersten Kunden hat sie schon, und die sind voll zufrieden. Also: Ich würde den Leuten dazu raten, ja.
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