Die Gründungsoffensive der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd (goHfG) wird über das EXIST-Programm „Potentiale Heben“ des Bundeswirtschaftsministeriums seit Juni 2020 für vier Jahre finanziert. Ziel ist es, eine Gründungskultur an der HfG zu entwickeln und Studierende für das Thema Gründung zu sensibilisieren. Carolin Morlock ist systemische Beraterin /Coach und ist als Teamleitung für die Konzeption und Umsetzung aller goHfG Projektmaßnahmen verantwortlich.
Frau Morlock, welche Rolle spielen die Gründungseinstellungen von Personen bei der Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen?
Bei der Entscheidung in die eigene Gründungsidee Zeit und Geld zu investieren, spielt die Gewinnerwartungen eine nachrangige Rolle. Innere Bilder und Bezugsrahmen, welche meist unbewusst wirken und die eigene Gründung als identitäts- und sinnstiftend wirken lassen, sind gründungsentscheidend.
Männer haben etwas positivere Gründungseinstellungen als Frauen. Wie erklären Sie sich das?
Im Zuge ihrer Sozialisation haben Männer weniger Diskriminierungs- und Einschüchterungserfahrungen und haben daher weniger Widerstände oder Inkongruenz bei ihrer eigenen Selbstwirksamkeit erlebt. Sie erleben, auch durch kulturelle Vorbilder, eher Bestätigung als Frauen und haben daher weniger Zweifel in ihrer Selbstwirksamkeit.
Männer werden zusätzlich durch Beschämungserfahrungen zu einem überzogen starken Auftreten erzogen. Sie sind daher in heroischem Auftreten eher geübt und überzeugen sich und andere im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung.
Welche Maßnahmen sind sinnvoll, um die Gründungseinstellung von Personen positiv zu beeinflussen? Welchen Beitrag leisten Sie hier bzw. Ihre Hochschule?
Durch die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden, durch Beratungen, Gruppencoachings und Workshops legt goHfG das Fundament für eine nachhaltige unternehmerische Haltung und Selbststeuerungskompetenz. Dem Gender-Bias wird begegnet, indem wir Gründerinnen als Vorbilder eine Bühne geben und Vernetzungsmöglichkeiten schaffen.
Was muss zukünftig passieren, damit sich Gründungseinstellungen in der Gesellschaft in Deutschland verbessern?
Berufswege werden immer fluider - Übergänge zwischen Anstellung, Projektarbeit, Freiberuflichkeit, Unternehmensgründung und unbezahlter Sorgearbeit bahnen sich schrittweise an und wechseln sich immer häufiger im Laufe eines Berufslebens ab. Hier liegt nicht nur Unsicherheit, sondern auch ein Gestaltungsspielraum, der durch den alleinigen Fokus auf Sicherheit bisher nicht ausreichend wahrgenommen wird. Für diesen Gestaltungsspielraum und für die rollenwechselnden Akteurinnen und Akteure auf der beruflichen Bühne sollte Werbung gemacht werden und es braucht für Mütter und Väter, die Sorgearbeit leisten und gründen, ausreichend finanzielle Unterstützung.
Im Rahmen des Global Entrepreneurship Monitors (GEM) wird die Gründungseinstellung von Personen unter anderem anhand der Wahrnehmung der eigenen Gründungschancen und -fähigkeiten und anhand der Angst vor dem Scheitern gemessen. Frau Morlock, wie messen Sie an Ihrer Hochschule die Gründungseinstellungen?
Wir erheben in Semesterumfragen und vor der ersten Orientierungsberatung das Gründungspotential der Studierenden anhand der folgenden Kriterien:
- Bisherige Berührungspunkte mit Existenzgründungsthemen
- Gründungsvorstellung/Gründungswille/Gründungsabsicht
- Persönliche Initiative: starkes Engagement über Studieninhalte hinaus und Interesse Lösungen zu gestalten
- Persönliche Vorbilder, welche ermutigen
- Persönliches Zeitinvestment
- Gewinnzahlen von Wettbewerben und Pitches
- Kennen von potentiellen Kundinnen und Kunden
- Teilnahme am goScouting - Dialog
- Vernetzung mit anderen Gründungsinteressierten oder Vorstellung, im Team zu gründen
- Gründungsteamzusammensetzung, insbesondere Geschlecht
- Anzahl der Studierenden, die gegründet haben oder im Gründungsprozess sind.
Vielen Dank für die Einblicke!
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