Prof. Simon Hensellek ist Juniorprofessor für Entrepreneurship und Digitalisierung an der Technischen Universität Dortmund. In dieser Position forscht und lehrt er zu Aspekten rund um entrepreneuriales Denken und Handeln, Wachstum von Startups sowie zu digitalen Geschäftsmodellen und Innovationen.
Herr Prof. Hensellek, Welche Rolle spielen Hochschulen, oder speziell Ihre Hochschule, bei der Motivation und Ausbildung von Gründungsinteressierten?
Hochschulen bilden einen Großteil der Gründerinnen und Gründer von morgen aus. Dies zeigen viele empirische Erhebungen und ebenso der Global Entrepreneurship Monitor (GEM). Insofern nehmen sie eine sehr exponierte Rolle in der Gründungslandschaft ein. Ich persönlich freue mich über die aktuellen Entwicklungen in vielen Bereichen, vorneweg natürlich die Exzellenz Startup Center NRW, zu denen auch das Centrum für Entrepreneurship und Transfer (CET) der TU Dortmund gehört. Hier tut sich sehr viel und auch sehr viel Gutes. Diesen aktuellen Aufschwung in der Gründungsförderung müssen wir nun auf das nächste Level kriegen und die Aktivitäten zu einem großen Ganzen zusammenbringen – sowohl innerhalb der jeweiligen Hochschulen (z.B. durch neue gründungsorientierte Studiengänge/-profile und mehr Sichtbarkeit) als auch hochschulübergreifend (z.B. bessere Koordination großer Initiativen und einem besseren Netzwerk zum professionellen Austausch).
Wie tragen Sie dazu bei, das Gründungsgeschehen zu beleben?
Dies geschieht in erster Linie natürlich durch den direkten Kontakt zu meinen Studierenden. Ich selbst brenne einfach für das Thema Gründung und versuche daher bei den Studierenden zum einen das Interesse an einer Gründung zu erhöhen, indem ich ihnen das entsprechende Mindset vermittle und die Angst vorm Scheitern nehme. Das Thema soll für sie attraktiver und greifbarer werden. Auf der anderen Seite geben wir den Studierenden die entsprechenden Skills als Werkzeug an die Hand, damit sie dann hoffentlich auch erfolgreich mit ihrer Gründung sind. Zusätzlich beraten wir, wo wir können und bieten u.a. Abschlussarbeiten mit Gründungsfokus an, die auch immer wieder in konkreten Gründungen resultieren. Hier möchten wir Enabler sein und keine unnötigen Steine in den Weg junger (akademischer) Gründerinnen und Gründer legen. Die Wissenschaftlichkeit tut vielen Businessplänen und Geschäftsmodellen dabei übrigens sehr gut.
Daneben engagiere ich mich zudem in verschiedenen Projekten für eine laufende Verbesserung unseres Startup-Ökosystems – sowohl regional als auch bundesweit. Da haben für mich Universitäten eine ganz wichtige Querschnittsaufgabe und können viele verschiedene Parteien aus Politik, Wissenschaft und Praxis verbinden.
Welche Ansatzpunkte sind am sinnvollsten, um das regionale Gründungsgeschehen zu beleben?
Ganz wichtig ist aus meiner Sicht immer die Vernetzung der verschiedenen regionalen Player und Aktivitäten. Oftmals gibt es spannende Initiativen, Startups oder etablierte Unternehmen, welche perfekt zusammenpassen würden, sich aber zumeist bilateral finden und koordinieren müssen. Das ist in der Regel recht aufwendig und ineffizient und gelingt leider nicht immer. Da geht mit Hilfe von guten (digitalen) Netzwerken noch deutlich mehr, um Expertise, Bedarf und natürlich auch Kapital miteinander zu matchen. Wenn dann noch die Unterstützungsangebote stimmen, können die Beteiligten richtig etwas auf die Straße bringen.
Was macht Ihre Region als Gründungsstandort einzigartig? Inwiefern hat die Pandemie das Gründungsgeschehen in Ihrer Region beeinflusst?
Wenn wir über den hiesigen Gründungsstandort sprechen, dann spreche ich immer bewusst direkt vom Ruhrgebiet. Dies beschreibt auch schon sehr passend den einzigartigen Vorteil dieser Region, nämlich die räumliche Nähe vieler Städte mit ganz unterschiedlichen Profilen und Stärken. Die Grenzen sind da oft schwimmend und das ist auch gut so. Ich unterstützte liebend gerne sowohl Startups aus Essen, Gelsenkirchen oder eben aus Dortmund. Zum Glück wird diese Sicht mittlerweile auf vielen Ebenen geteilt, sodass das Ruhrgebiet gerade zu einem großen und durchaus spannenden Startup-Hotspot heranwächst.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Gründungsaktivitäten sind tatsächlich erst teilweise valide erforscht. Was wir jedoch alle (hoffentlich) aus dieser Krise gelernt haben, ist die Notwendigkeit zukunftsfähiger Geschäftsmodelle. Da müssen wir in jedem Fall über zwei wichtige Faktoren sprechen:
- Die Digitalisierung, denn Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen haben die Krise oftmals deutlich besser überstanden als ihre analoge Konkurrenz bzw. sogar von der Krise profitiert, da ganz neue Bedarfe entstanden sind (siehe Lieferdienste, Zoom und Co.).
- Die Nachhaltigkeit mit ihren drei Facetten „Ökonomie“, „Ökologie“ und „Soziales“. Diese Aspekte wirklich sinnvoll in langfristig tragfähigen Geschäftsmodellen unter einen Hut zu bringen wird eine der großen Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts und ich hoffe sehr, dass sich noch mehr Gründerinnen und Gründer dieser Herausforderung stellen.
Was muss zukünftig passieren, damit die Gründungsquoten in Deutschland steigen?
Da gibt es leider noch viele Baustellen, aber wir sollten insbesondere an zwei Stellen ansetzen. Wir sollten frühzeitig das Rollenbild von Gründerinnen und Gründer als eine echte Alternative zu klassischen Berufsbildern vermitteln, was meines Erachtens bereits in der Schulzeit beginnen muss. Dazu gehört sicherlich auch die Vermittlung wesentlicher Grundlagen des Unternehmertums und den damit verbundenen Chancen, Risiken und Pflichten. Darüber hinaus müssen wir eine Gründung noch einfacher (und günstiger) machen. Aktuell bin ich die ersten Tausend Euro bereits los, nur um meine Gründung formal korrekt mit Notar und Co. zu vollziehen. Wenn ich nicht noch einmal draufzahle, dann dauert das Ganze auch erst einmal ein paar Wochen. Länder wie Estland zeigen uns jedoch, dass es auch einfacher geht. Ich hoffe sehr, dass dieses Problem nun endlich in Deutschland angegangen wird.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
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