Dr. Astrid Lange arbeitet an der Universität Hildesheim in der Abteilung für Wirtschaftswissenschaft und ihre Didaktik und ist Projektleiterin der Kompetenzwerkstatt für Entrepreneurship und Transfer (KET).
Frau Dr. Lange, im Rahmen des Global Entrepreneurship Monitors wird die Gründungseinstellung unter anderem anhand der Wahrnehmung der eigenen Gründungschancen und -fähigkeiten und anhand der Angst vor dem Scheitern gemessen. Wie messen Sie Gründungseinstellungen?
- Gründungseinstellungen verstehen wir als Globalurteile darüber, ob die eigene Unternehmensgründung als gut oder schlecht, positiv oder negativ, wünschenswert oder aversiv angesehen wird.
- Gründungseinstellungen messen wir einmal anhand der Einschätzung der eigenen Gründung als etwas allgemein Wünschenswertes und Attraktives auf siebenstufigen Ratingskalen.
- Darüber hinaus messen wir die Einstellung je nach Untersuchungsziel indirekt, indem wir subjektive Überzeugungen gegenüber der eigenen Gründung hinsichtlich Überzeugungsstärke und -bewertung beurteilen lassen. Konkret werden z. B. die Überzeugungen, seine Zeit frei einteilen zu können, zu scheitern, und Verantwortung zu tragen, auf einer Wahrscheinlichkeitsskala und auf einer Bewertungsskala erfragt.
Welche Rolle spielen die Gründungseinstellungen von Personen bei der Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen?
- Gründungseinstellungen bilden gemeinsam mit den subjektiven gründungsbezogenen Normen (was ich glaube, was mir wichtige Andere über meine Gründung denken) und der subjektiv wahrgenommenen Verhaltenskontrolle (was glaube ich, braucht man für eine erfolgreiche Gründung und sehe ich das bei mir selbst vorliegen) die Gründungsabsicht heraus, diese Absicht wiederum gilt als der beste Prädiktor für eine tatsächliche Gründung.
- Gründungseinstellungen, subjektive gründungsbezogene Normen und wahrgenommene Kontrolle über eine eigene Gründung beeinflussen also, ob Menschen unternehmerisch tätig werden oder nicht.
- Grundlage unseres Ansatzes ist die Theorie des geplanten Verhaltens.
Männer haben etwas positivere Gründungseinstellungen als Frauen. Wie erklären Sie sich das?
- Laut eigenen Studien zu Überzeugungsprofilen ist die unterschiedliche Beurteilung subjektiver Normen ein bedeutsamer Faktor. Frauen tendieren eher als Männer dazu, es anderen Recht machen zu wollen. Wenn sie zugleich glauben, dass diese Anderen eher nicht wollen, dass die Frauen ihr eigenes Unternehmen gründen, hält sie das von einer eigenen Gründung ab, selbst wenn sie positive Gründungseinstellungen und die Überzeugung, eine Gründung meistern zu können, mitbringen.
- Das ist natürlich nicht der einzige Erklärungsfaktor – aber laut unseren Daten doch ein gewichtiger.
Welche Maßnahmen sind sinnvoll, um die Gründungseinstellung von Personen positiv zu beeinflussen? Welchen Beitrag leisten Sie bzw. die Universität Hildesheim dazu?
- Wenn wir die Gründungseinstellungen positiv beeinflussen wollen, müssen wir die zugrunde liegenden Überzeugungen kennen und ggfs. eine Grundlage für ein fundiertes Meinungsbild schaffen. Laut unseren Studien haben gerade diejenigen, die rigoros negative Gründungseinstellungen äußern, sich bisher kaum mit Gründungen befasst. D. h. ihre negative Einstellung beruht nicht auf Wissen, sondern auf nicht hinterfragten Annahmen. Diese versuchen wir in der KET aufzubrechen, indem wir die Gründungsthematik in allen Fächern und von Beginn an sichtbar machen, indem wir vielfältige, auch gerade untypische Rollenmodelle aufzeigen, indem wir Lehrveranstaltungen für alle Fächer anbieten, und indem wir Gelegenheiten schaffen, Angehörige der Universität Hildesheim mit den eigenen – unhinterfragten – Überzeugungen zu konfrontieren.
Was muss zukünftig passieren, damit sich Gründungseinstellungen in der Gesellschaft in Deutschland verbessern?
- Ich glaube, dass schon viel dadurch erreicht werden kann, dass unternehmerisches Denken und Handeln deutlicher gezeigt wird, und zwar in einer vielfältigen Art und Weise. Wenn wir Überzeugungen, die auf einer engen Wahrnehmung basieren, minimieren wollen, sollte nicht immer nur der „eine“ Gründertyp präsentiert werden, der männliche Ellenbogen-Machertyp, der danach strebt, Millionär zu werden; sondern eben all die anderen unternehmerisch tätigen Menschen, die ja letztendlich genauso vielfältig sind wie unsere Gesellschaft.
- Unternehmerisches Denken und Handeln sollte insgesamt sichtbarer werden, inklusive dem Scheitern und Wiederaufstehen.
- Unternehmerisches Denken und Handeln sollte sich thematisch durch die gesamte Bildungslaufbahn ziehen. Schulen und Hochschulen sollten Räume schaffen, wo Menschen sich unternehmerisch erproben und unternehmerische Erfahrungen sammeln können. Im schulischen Wirtschaftsunterricht können Unternehmerinnen und Unternehmer als Rollenmodelle schon frühzeitig Interesse am unternehmerischen Tun wecken. Ebenso sollte das Thema Entrepreneurship an Hochschulen als fachübergreifendes Querschnittsthema nachhaltig verankert werden.
- Schließlich trägt eine breite Forschung dazu bei, die Frage zu klären, wie sich Gründungseinstellungen verbessern und Gründungsabsichten erhöhen lassen. Projekte zu Gründungseinstellungen sollten stets wissenschaftlich begleitet werden. Es sind insgesamt mehr längerfristige Forschungsinvestitionen in Entrepreneurship-Professuren und Entrepreneurship-Projekte nötig.
Vielen Dank für Ihre Einblicke!
- © loveguli; Aleksandr Kharitonov; clu / iStock.com – Hildesheim2_Artikelbild.jpg