Im Juli 2016 kam Alireza Alizadeh zum Schnuppern in den Betrieb des Heizungsbauers und Badgestalters Dennis Kern in Dreieich bei Frankfurt. Eine ehrenamtliche Betreuerin des Flüchtlings hatte den Kontakt hergestellt. Nach zwei Tagen wusste der junge Mann aus Afghanistan, dass ihm diese Arbeit gefallen und er gern hier eine Ausbildung machen würde. Zu dem Zeitpunkt war er ein halbes Jahr in Deutschland und gerade Vater geworden. Ein längeres Praktikum gab ihm und seinem künftigen Chef die Gewissheit: Das passt! Seit Oktober 2016 absolviert der 28-Jährige eine Einstiegsqualifizierung (EQ). Die vielen üblichen Hürden haben Alireza Alizadeh und der Betrieb Dennis Kern übersprungen.
Hürde „Ausreichende Deutschkenntnisse“
Der junge Mann, der noch nicht als Flüchtling anerkannt ist, hat bisher keinen „regulären“ Sprachkurs besucht, vielmehr hat er sich in den wenigen Monaten seit seiner Flucht selber schon ein recht gutes Deutsch beigebracht. Er geht in die Berufsschule, auch wenn es schwer ist und er viel Zeit für das Vokabellernen und die Nachbereitung braucht. Trotzdem sind Azubi, Betrieb und Berufsschullehrer optimistisch: Er wird es schaffen und dann nach dem Wunsch seines Ausbildungsbetriebs in eine „reguläre“ duale Ausbildung münden, wenn er denn hierbleiben darf.
Eine Erfolgsgeschichte, die eine Fortsetzung erfährt: Ab Sommer wird ein zweiter afghanischer Flüchtling bei Kern eine Ausbildung beginnen, derzeit absolviert der 18-Jährige Ramin ein Schulpraktikum im Betrieb.
Hürde „Bürokratiedschungel“
Möglich wurden diese Erfolgsstorys, weil sich Amelie Kern nicht entmutigen ließ.
„Wenn man jemanden anruft, um eine Frage zu klären, hat man hinterher ein paar neue Fragen“,
berichtet sie von ihrer Odyssee zwischen Bundesagentur für Arbeit, Jobcenter, Krankenkassen, Finanzamt, Ausländerbehörden und Fachstellen Asyl. Bei ihrem zweiten Flüchtling wisse sie aber schon, wen sie was fragen müsse, und auch die Behörden hätten gelernt.
Was motiviert Amelie und Dennis Kern, sich der Aufgabe Integration von Flüchtlingen zu stellen?
Der Betrieb mit insgesamt zwölf festen und freien Mitarbeitern legt großen Wert auf Ausbildung – aber es werde immer schwieriger, überhaupt Azubis zu finden, ganz abgesehen von ihrer Eignung. Die Inhaber erzählen ihre jüngsten Erfahrungen: Mit zwei Jugendlichen habe man im Februar Gespräche geführt und für die Osterferien zwei Wochen Praktikum verabredet. Beide kamen nicht, der eine sogar ohne abzusagen.
Alireza Alizadeh kann diese Lücke füllen – er habe schon an seinem ersten Arbeitstag eigenständig Rohre isoliert, ohne dass ihm einer zeigen musste, wie das geht. Die Monteure waren ganz begeistert, dass ihr neuer Auszubildender die Isolierung gleich richtig auf Gehrung geschnitten hat. Ehepaar Kern hatte auch schon Azubis aus dem europäischen Ausland, aber die Spanier hätten die Ausbildung abgebrochen. Ganz anders die Afghanen: „Sie sind so dankbar, freundlich, höflich und motiviert“, sagt Frau Kern.
„Wir bekommen so viel zurück: Sie kommen mit einem Strahlen im Gesicht zur Arbeit.“
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