Wir sprachen am Standort München der Technologie- und Unternehmensberatung, SapientRazorfish, mit Verantwortlichen der internen Arbeitskreise Women Leadership Network (WLN) und Potential Realized in Diverse Experiences (PRIDE). Mit diesen beiden Initiativen sowie den hervorragenden Ergebnissen einer themenspezifischen Mitarbeiterbefragung überzeugte das Unternehmen die Great Place to Work Juroren.

Die Gespräche mit Juliane, Frank und Ross haben eines deutlich gemacht: Vielfalt im Betrieb ist für den Award-Gewinner kein Sonderprogramm, sondern ein Teil der Unternehmenskultur. Und das zahlt sich auch wirtschaftlich aus.

Ein Besuch in München

Die Niederlassung von SapientRazorfish Deutschland in der bayerischen Landeshauptstadt sieht so aus, wie man sich ein modernes Unternehmen aus dem IT-Bereich vorstellt: persönliche Begrüßung auf einem Flat Screen, Tischkicker, Sofas, Dachterrasse, Großraumbüro, Kreativarbeitsplätze etc. Vieles erinnert hier an die New-Work-Konzepte großer IT-Konzerne – außer vielleicht die oberbayerische Berghütte (!) auf dem Balkon, die als Ideenwerkstatt dient. Und Ideen werden hier gebraucht. In München arbeiten knapp 150 ITler, Strategieberater und Kreative daran, Unternehmen bei der Transformation ihrer Geschäftsmodelle in das digitale Zeitalter zu unterstützen. Insgesamt kommt der Standort Deutschland des US-amerikanischen Unternehmens auf 360 Beschäftigte; viele davon aus den verschiedensten Regionen der Welt und mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. Aus diesem Grund ist Offenheit gegenüber allem und jedem als wichtiger Grundsatz in den Unternehmenswerten verankert. Diese Offenheit zeigt sich auch in den angesprochenen Arbeitskreisen – und in deren Erfolg.

Das Women Leadership Network (WLN) diskutiert auch Männerthemen

Das WLN ist ein Sapient-internes Netzwerk, welches vor über zehn Jahren von Ute Zankl in Deutschland eingeführt wurde. Damals mit der Intention, zum Thema Frauen in Führungspositionen bzw. Gleichstellung zu informieren und den internen Dialog voranzutreiben. WLN ist ein globales Netzwerk – ob und wie sich eine Niederlassung organisiert, bleibt den Beschäftigten selbst überlassen.

Vor ein paar Monaten wurde das WLN am Standort München von zwei Mitarbeiterinnen neu aufgesetzt. Juliane Bieger, Teamleiterin im operativen Personalbereich und Teil des neuen WLN Teams, berichtete in unserem Gespräch von einem spannenden Austausch während der kürzlich veranstalteten Planungsrunden für 2018. Unter anderem werden beispielsweise vierteljährlich Round Tables angeboten. Dort tauschen sich Beschäftigte verschiedener Ressorts, Hierarchien und auch Geschlechter aus und diskutieren über Themen wie Karrierechancen, Gleichstellung, Vereinbarkeit Familie und Beruf oder Elternzeit (mittlerweile auch besonders im Fokus: Väter). Zentraler Referenzpunkt dieser Diskussionen war dabei stets, welchen Impact diese Themen auf die Geschäfte, die Mitarbeiter und auch auf die Kunden haben.

Juliane (man duzt sich hier) betont immer wieder, dass Diversity-Themen bei SapientRazorfish nicht nur hübsches Beiwerk, sondern vorrangig auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet sind. So ist man sich zum Beispiel darüber im Klaren, dass familienfreundliche Arbeitsbedingungen von den Beschäftigten immer mehr eingefordert werden – und zwar auch von Männern:

Als attraktiver Arbeitgeber ist es heute wichtig, Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu machen. Auch das Thema Männer in Elternzeit wird präsenter, als noch vor zehn Jahren. Deswegen lag der Fokus unserer letzten WLN-Veranstaltung sogar ganz klar darauf, was unsere männlichen Mitarbeiter interessieren könnte.

Für Juliane ist diese Weiterentwicklung des Themas genau das, worauf es bei dem Thema Diversity ankommt: ein Bewusstsein für die verschiedenen Bedürfnisse der einzelnen Beschäftigten zu entwickeln, damit sie sich wohlfühlen und ihre vielfältigen Blickwinkel und Fähigkeiten so produktiv wie möglich einbringen können. Etwaige Anpassungen wie flexible Arbeitszeiten wegen familiärer Verbindlichkeiten, Englisch zu sprechen, sobald ein Nichtmuttersprachler im Raum ist, oder offen und neugierig gegenüber anderen Kulturen zu sein sind dann eigentlich nur unterschiedliche Beispiele der gleichen Perspektive. Vielfaltsbewusstsein ist also eine Einstellungssache.

Stolz statt Vorurteil – PRIDE

Diese Einstellung, ist letztlich auch das, was Ross und Frank mit ihren Aktionen und Workshops erreichen wollen. Die beiden gebürtigen US-Amerikaner organisieren seit ca. zwei Jahren die LGBT1-Gruppierung PRIDE. Dort wird in entspannter Atmosphäre wie bei Grillabenden, Happy Hours oder aber in kleinen Informations- und Austauschveranstaltungen (siehe Titelbild) über Frage- und Problemstellungen in Bezug auf sexuelle Orientierung und Genderkonzepte gesprochen. Und zwar immer mit der Frage im Hinterkopf: Was bedeutet das für das tägliche Zusammenarbeiten?

Wenn jemand morgens in die Arbeit geht und keine Gedanken darauf verschwenden muss, sich aus Angst vor Diskriminierung verstecken zu müssen, dann arbeitet man ja auch viel produktiver.

Kurz vor dem Interview hatten die beiden erst eine Informationsveranstaltung organisiert. Hier wurden die Kollegen mit Hilfe von Perspektivwechseln über verschiedene Formen bewusster oder unbewusster Diskriminierung aufgeklärt. Mit den Rückmeldungen waren die beiden IT-Strategieberater zufrieden. Die Events würden gut angenommen und es gebe bereits einige Rückmeldungen, dass die Beschäftigten mehr zu diesem Thema und auch darüber hinaus erfahren wollen, so die Organisatoren.

"Profitiert haben wir sicherlich auch davon, dass WLN und PRIDE ungefähr gleichzeitig (neu-)gestartet sind hier in München. Dadurch entstand schon ein gewisses Momentum."

Jedes Unternehmen kann von Vielfaltsbewusstein profitieren – wenn die Führungskräfte mit an Bord sind!

Nun hat nicht jedes Unternehmen die Ressourcen und Kapazitäten, eigene Arbeitskreise und –gruppen zu bilden. Juliane bestätigte, dass das auch gar nicht immer notwendig ist:

"Bei der Einstellung eines internationalen Mitarbeiters sollte ich mir vor allem Gedanken darüber machen, wie ich ihn am besten integriere, so dass er sich vom ersten Tag an im Unternehmen/Team wohl fühlt und effizient arbeiten kann. Dazu muss kein spezielles Projektteam gegründet werden. Das wichtigste ist, zu überlegen, in welchem Team dieser Beschäftigte arbeiten wird und welche möglichen Barrieren eine Rolle spielen könnten (zum Beispiel sprachliche oder kulturelle). Dabei sollten alle betroffenen Mitarbeiter und Teams frühzeitig mit eingebunden werden. Gemeinsam kann dann überlegt werden, welche Themen relevant werden könnten. In der Folge können Sprachkurse oder interkulturelle Trainings für die Zusammenarbeit hilfreich sein. Wenn sich im Laufe der Einarbeitung dann weitere Gespräche entwickeln, umso besser.

Trotz dieser Aufmerksamkeit, die man dem Thema bei SapientRazorfish entgegenbringt, gilt es aber immer wieder etwas anzupassen – auch für einen Great Place to Work. So identifizierte Juliane beim Test des INQA-Checks „Vielfaltsbewusster Betrieb“ direkt neuen Handlungsbedarf:

Man muss alle Programme auch wirklich am Laufen halten. Die Themen dürfen nicht einschlafen oder in Vergessenheit geraten und wir alle müssen müssen immer weiter wachsen an unseren Herausforderungen.

Damit solche Themen vorangetrieben werden können, ist die Unterstützung der Führungskräfte entscheidend. Das war auch bei PRIDE nicht anders:

Die Führungskräfte müssen das Thema glaubwürdig unterstützen. Außerdem müssen sie verstehen, welche sozialen und wirtschaftlichen Vorteile ein vielfaltsbewusstes Miteinander am Arbeitsplatz birgt.

Was bringt einem Unternehmen Vielfalt überhaupt?

Auf diese Frage gibt es natürlich keine universale Antwort. Das unterscheidet sich von Betrieb zu Betrieb. Für die Geschäftsprozesse bei SapientRazorfish wurden folgende Aspekte genannt:

  • Hohe Kreativität entsteht durch das Zusammenkommen unterschiedlicher Blickwinkel. Unser Anspruch ist es, dass die Qualität an unsere Kunden "outstanding" sein muss. Dies erreichen wir nur durch besonder kreative Köpfe.
  • Kulturelle Offenheit verbessert internationale Geschäftsbeziehungen. Eine höhere Diversität in unseren Teams lässt uns besser mit unseren internationalen Kunden arbeiten, da wir die Kulturen besser einschätzen können. Und auch die Ansprüche internationaler Verbraucher können perfekt eingeschätzt und integriert werden.
  • Diverse Teams performen besser und sind erwiesenermaßen kreativer und leistungsstärker, da sie unterschiedliche und komplementäre Meinung präsentieren und unterschiedliche Führungsstile vorhanden sind.
  • Wir wollen mit Vielfalt die besten Talente auf dem Markt gewinnen und natürlich auch unsere Talente an unsere Unternehmen binden, indem wir ein attraktiver Arbeitgeber für alle Menschen sind.

Die Vielfalts-Brille

Diese oder andere positive Effekte einer vielfaltbewussten Unternehmenskultur können natürlich bei jedem Unternehmen anders aussehen. Hier muss jeder individuell auf die eigenen Prozesse und Strukturen schauen und überlegen, wo sind meine Stellschrauben?

Setzen Sie sich diese Vielfalts-Brille doch selbst einmal auf und überlegen Sie, wo Sie möglicherweise von den vielfältigen Blickwinkeln und Fähigkeiten Ihrer Beschäftigten profitieren können. Hierbei unterstützt Sie in Zukunft der neue INQA Check „Vielfaltsbewusster Betrieb“.

 

1 Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transsexuell/Transgender

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  • © Lars Renner für Great Place to Work® Deutschland / Privat/Non-kommerziell – Preisträger SapientRazorfish (20170926-gruppenbild_sonderpreis_diversity_2017.JPG)