Dass Jasmin Arbabian-Vogel zur Vorbild-Unternehmerin der BMWi-Initiative „FRAUEN unternehmen“ gewählt wurde, überrascht nicht. Am 1. Februar 2016 feiert ihr Unternehmen Interkultureller Sozialdienst GmbH 20-jähriges Jubiläum. Inzwischen sind es etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichsten Nationen, die Pflegedienste leisten für Menschen mit verschiedenen kulturellen, sprachlichen und religiösen Wurzeln sowie Lebenssituationen. Für ihr Engagement wurde die zweifache Mutter 2008 mit dem Stadt Hannover-Preis geehrt. Und als Landesvorsitzende des VdU macht sie sich seit 2012 stark für weibliches Gründer- und Unternehmertum. Für das RKW Magazin gibt Jasmin Arbabian Vogel Einblick in ihr Leben als Unternehmerin.
Frau Arbabian-Vogel, was hat Sie dazu inspiriert, sich direkt nach Ihrem Studium mit einem Interkulturellen Sozialdienst selbstständig zu machen?
Dafür gab es im Grunde drei verschiedene Motivationen. Am meisten zur Entscheidung beigetragen hat wohl meine eigene Zuwanderungsgeschichte. Meine Familie stammt ursprünglich aus dem Iran. Das Verlassen der Heimat ist in gewisser Weise der zweite Grund. Denn ich habe beobachtet, dass Menschen, die schon einmal „etwas hinter sich lassen“ mussten, das Risiko mitunter weniger scheuen. Zum dritten hat die damalige Einführung der Pflegeversicherung die Gründung von Pflegediensten im Allgemeinen und damit auch meines Unternehmens begünstigt.
Welche Herausforderung empfanden Sie in der Gründungsphase als am größten? Und wer hat Sie in dieser Phase am meisten unterstützt?
Die finanziellen Hürden zu meistern und die Phase der roten Zahlen zu überbrücken, war sicherlich eine der wesentlichen Herausforderungen – zumal die Banken schon damals sehr restriktiv mit der Kreditvergabe umgingen. Der Wettbewerb hat sich dagegen bis heute weniger als Hürde erwiesen, da wir nach wie vor der einzige interkulturelle Pflegedienst auf dem Markt sind.
Unterstützt wurde ich von Anfang an von meiner Familie und meinem sozialen Umfeld. Im Laufe der Zeit hat sich darüber hinaus ein starkes Business-Netzwerk entwickelt. Ohne diese Menschen wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Dabei ging es nicht nur um Weiterempfehlung und Co., sondern auch und vor allem um das Öffnen von Türen zu Vereinen, Institutionen und Verbänden. Diese Form der Unterstützung ist nicht zu unterschätzen und hat viele Weichen für den heutigen Erfolg gestellt!
Hatten Sie am Anfang Angst davor, zu scheitern?
Natürlich war eine gewisse Sorge stets latent spürbar. Hätte ich aber wirklich Angst gehabt, hätte ich es sicher nicht durchgezogen. Ich habe beobachtet, dass die Angst vor dem Scheitern bei Menschen mit Migrationshintergrund insgesamt geringer ist. Sie mussten bereits einmal ganz von vorn anfangen, das stärkt den Glauben an sich selbst. Außerdem scheint mir, dass es in Deutschland keine „Kultur des Scheiterns“ gibt. Scheitern wird als Schwäche gesehen, nicht als ein Zeichen des Strebens nach Erfolg. In der iranischen und anderen Kulturen wird das anders gesehen.
Welche Ratschläge können Sie Unternehmensgründerinnen mit auf den Weg geben? Was muss auf jeden Fall bedacht werden?
Am wichtigsten ist es, an sich selbst zu glauben und bei Banken und Behörden nicht als Bittstellerin aufzutreten. Die Wirtschaft lebt von Selbstständigen und Banken leben von Krediten. Außerdem glaube ich daran, dass Erfolg planbar und machbar ist, aber man muss sich konsequent dafür einsetzen und handeln, nicht nur träumen.
Extrem wichtig ist auch, dass Gründerinnen und Gründer schon frühzeitig ihre familiären, sozialen und beruflichen Netzwerke stärken und bestmöglich für sich aktivieren.
Sie sind Landesvorsitzende des VdU. Inwiefern hat Sie dieser Verband bei Ihrer Selbstständigkeit vorangebracht?
Es ist nach wie vor in jeder Hinsicht gewinnbringend, Teil eines Frauenwirtschaftsverbandes zu sein. Im Gegensatz zu gemischten Wirtschaftsverbänden spielen hier Gender-Themen einfach keine Rolle. Der Blick bleibt also frei für das Wesentliche und der Austausch ist häufig ungezwungener. Das ist wichtig für das Selbstbewusstein und für eine effiziente Weiterentwicklung – sowohl persönlich als auch beruflich.
Sie sind Vorbild-Unternehmerin bei „FRAUEN unternehmen“. Welche Aktivitäten der BMWi-Initiative haben Sie als besonders erfolgreich erlebt – und warum?
Sehr gut finde ich, dass die Vorbild-Unternehmerinnen stets im Gespräch gehalten werden und dass man mit den anderen Frauen in teils engem Kontakt steht. Zudem informiert die Initiative ihre Vorbild-Unternehmerinnen zuverlässig darüber, was in den anderen Bundesländern passiert. Spannend finde ich auch, dass auf Basis der Initiative inzwischen verschiedene Auskopplungen entstanden sind, die recht aktiv kommunizieren. Natürlich lebt die Initiative letztlich davon, wie sehr die Frauen mitmachen. Deshalb gehe ich gern mit gutem Beispiel voran und engagiere mich aktiv mithilfe verschiedener Aktionen. Umgekehrt ist das BMWi-Siegel natürlich auch eine schöne Reputation für mein Unternehmen.
Hat auch eine Vorbild-Unternehmerin Vorbilder?
Ich habe sogar mehrere Vorbilder. Ghandi inspiriert mich sehr und auch die iranische Richterin und Menschenrechtsaktivistin Shirin Ebadi hat für mich Vorbildcharakter. Gerade sie steht sinnbildlich für Frauen, die sich nicht einschüchtern lassen – die für etwas brennen und die mit viel Mut und unermüdlichem Engagement dafür eintreten.
Zum Abschluss noch die Frage: Haben Sie es je bereut, sich selbstständig gemacht zu haben? Und was wollen Sie in Zukunft noch alles erreichen?
Nein, ich habe das niemals bereut! Klar gab es Momente, in denen ich mich am liebsten mal für einige Wochen ausgeklinkt hätte. Insgesamt kann ich aber mit voller Überzeugung zum Gründen ermutigen. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es so erfolgreich weitergeht wie bisher. Gerade habe ich zwei neue Marken ins Leben gerufen und hoffe, dass sie sich genauso gut entwickeln wie ihre Vorgänger. Dazu möchte ich mein Unternehmen künftig inhaltlich noch breiter aufstellen.
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