Dies ist die zweite Ausgabe unserer Interviewreihe „#lernenausderkrise – Stimmen aus dem Mittelstand“. Kristina Prässler, Inhaberin des Augenoptik-Fachgeschäfts „Brilliant Optic“ in Eschborn, teilt ihre Erfahrungen aus der Corona-Krise mit uns und berichtet von ihrem Engagement für Handel und Gewerbe vor Ort. Dabei sich selbst und ihr Geschäft angemessen im Blick zu behalten, hat sie in den letzten zwei Jahren gelernt.

„Gerade im lokalen Handel und Gewerbe ist der Zusammenhalt in dieser Krise wichtig. 
Nicht nur für die Moral, sondern auch für die Kundschaft: Gemeinsam können wir ihr echt etwas bieten. 
Allein schaffen wir es nicht, sie zu halten.“

RKW: Liebe Frau Prässler, wie haben Sie mit Ihrem Unternehmen die Corona-Krise bisher erlebt?

Kristina Prässler: Als medizinisch-technischer Handwerksbetrieb mit Ladengeschäft waren wir in einer besonderen Situation: Als sogenanntes „Krisisunternehmen“ waren wir zwar von den Lockdowns nicht unmittelbar betroffen, trotzdem blieb der Laden im März und April 2020 leer. Einerseits wusste erst mal keiner, dass wir geöffnet hatten und andererseits war bei unserer Kundschaft natürlich auch viel Unsicherheit im Spiel. Ich hatte ja selbst zu tun, die für uns geltenden (Ausnahme-)Regelungen aus der Flut der Bestimmungen herauszufiltern, die mindestens im Wochentakt aus unterschiedlichsten Quellen auf uns einströmten.

Das war schon eine merkwürdige Situation so allein im leeren Geschäft. Für meine Mitarbeiterinnen hatte ich zwar Kurzarbeit beantragt, aber auf die ausbleibenden Umsätze sah ich natürlich mit Sorge und ringsherum war die Lage nicht besser.

Aber Däumchen drehen und Grübeln ist nicht mein Ding, also konzentrierte ich mich erst mal auf die Message „Wir haben geöffnet!“. Sie prangt noch heute als großer Schriftzug an unserem Schaufenster. Das allein hat natürlich nicht gereicht. Schon vor Corona haben wir im Marketing viel auf gemeinsame Aktionen im lokalen Handel und Gewerbe gesetzt, zum Beispiel mit der Einführung von gemeinsamen Gutscheinheften oder der „Eschborner Fashion Ladies Night“. Das war auch in dieser kritischen Situation mein erster Impuls: Zusammen geht mehr – aber diesmal musste es online sein. Ziemlich schnell rief ich also gemeinsam mit der lokalen Agentur Ambré MEDIEN die Plattform „Bleib in Eschborn“ ins Leben – zunächst als Facebook-Gruppe und mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung der Stadt Eschborn und der IHG Eschborn ab Mitte März 2020, dann auch schon auf einer eigenen Website. Hier konnten lokale Händler und Gewerbetreibende aus Eschborn und Niederhöchstadt online bewerben, welche Angebote sie auch in Zeiten von geschlossenen Geschäften und eingeschränkten Öffnungszeiten für ihre Kundschaft in petto hatten. Das war für viele erst mal keine Selbstverständlichkeit, aber wir waren echt überrascht, was dann alles so möglich war: zum Beispiel eine Boutique, die in Kooperation mit einem Taxiunternehmen Kleidungsboxen nach Hause lieferte oder Shampoo vom Friseur und Brillen „to go“. Die Kundschaft hat uns vielleicht auch wegen dieser Aktionen nicht ganz vergessen. Natürlich haben die großen Online-Anbieter in dieser Zeit besonders profitiert, aber ich sag’s mal so: wir sind noch da. Mein Geschäft hat von dem Engagement und der Aufmerksamkeit ganz bestimmt gewonnen. Darüber hinaus konnte ich wichtige Beziehungen aufbauen und stärken – Networking eben.

Mittlerweile hat sich die Lage etwas entspannt, es gab Soforthilfen und zahlreiche Lockerungen. Geschäfte und Gastronomie haben unter Auflagen wieder geöffnet, Dienst- und Serviceleistungen können wieder umfänglich erbracht werden.  Aus diesem Grund haben wir die Seite mittlerweile deaktiviert und hoffen, dass es zu keiner weiteren Lockdown-Phase kommt. Sollte es erforderlich sein, können wir sie jederzeit reaktivieren, vielleicht macht sie aber auch mit etwas anderen Parametern über die Krise hinaus Sinn. Das wird sich zeigen. Das Netzwerkdenken und die Bedeutung der Online-Kommunikation sind auf jeden Fall bei vielen Anbietern und der Wirtschaftsförderung hängen geblieben. 
 

Würden Sie rückblickend heute etwas anders entscheiden?

Ja, teilweise schon. Ich würde nach wie vor versuchen, unser lokales Netzwerk zu stärken und hier Angebote anzustoßen, aber ich würde mehr Priorität auf die Entwicklung meines eigenen Geschäfts legen. Beispielsweise auf die Digitalisierung des Marketings, insbesondere in den sozialen Netzwerken, aber auch unserer Prozesse. Darum kümmere ich mich seit Mitte letzten Jahres verstärkt und hätte rückblickend gern früher damit begonnen. Wir haben nun auch unsere Kinderecke ausgebaut und diese Zielgruppe für uns entdeckt. Leider war der Online-Unterricht und Medienkonsum in den Lockdowns nicht zuträglich für die Augen der Kleinen. Da ist es schön für alle Seiten, wenn wir beraten und mit einer wirklich passenden Brille unterstützen können. Apropos die Kleinen: Ich schaue jetzt mehr auf meine Kräfte, die ich ja auch als Privatperson und Mutter brauche. Homeschooling und Business unter einen Hut zu bringen, hat mich schon sehr gefordert und einen richtigen Urlaub hatten wir auch schon lange nicht mehr.
 

Die Krise ist leider noch nicht vorbei – was ist aktuell Ihre größte Herausforderung?

Na ja, die Zahlen stimmen natürlich noch längst nicht und sind eher auf dem Niveau, bei dem wir mal gestartet sind. Aber ich bin da mittlerweile entspannter, man gewöhnt sich ja irgendwie an alles. Ich konzentriere mich jetzt auf die Weiterentwicklung unseres Geschäfts mit einem echt guten Netzwerk im Hintergrund. Da trennt sich natürlich auch bei den Lieferanten gerade die Spreu vom Weizen. Viele haben Probleme, die sich mit massiven Preiserhöhungen und Lieferschwierigkeiten bei uns bemerkbar machen. Produkte „Made in Germany“ oder aus angrenzenden europäischen Ländern werden zunehmend wichtiger. Diese Auswirkungen der Krise werden uns sicher noch länger beschäftigen.
 

Liebe Frau Prässler, vielen Dank für diese spannenden Einblicke und viel Erfolg auf Ihrem weiteren Weg.
Wir bleiben dran!

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  • © Ajwad Creative; Schwalbach / Dagmar Bachmann / iStock.com – header_2190x1180_lernenausderkrise_03.jpg

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