Dies ist die fünfte Ausgabe unserer Interviewreihe „#lernenausderkrise – Stimmen aus dem Mittelstand“. Thomas Degel, Head of Communication & Marketing der IANEO Solutions GmbH und langjähriger Kunde des saaris (der RKW-Landesorganisation im Saarland), teilt seine Erfahrungen aus der Corona-Krise mit uns und berichtet, wie das Softwareunternehmen von der bereits etablierten Unternehmenskultur profitieren und wichtige Marktchancen nutzen konnte. Vor allem der große Zusammenhalt untereinander hat dabei eine wesentliche Rolle gespielt.
„Von dem Digitalisierungsschub können wir natürlich nur in dem Maße profitieren, wie wir auch die entsprechenden Fachkräfte finden und binden können.
Die Krise hat uns bestätigt: Dafür braucht es eine ehrliche und authentisch erlebbare Unternehmenskultur, wo „Nur Du zählst“.
RKW: Lieber Thomas, wie habt Ihr bei IANEO die Corona-Krise bisher erlebt?
Thomas Degel: Wir entwickeln ja Software für digitales Business im Mittelstand. Produktdatenmanagement, PIM-Systeme, Onlineshops und spezifische Individuallösungen für digitalen Handel sind unsere Spezialgebiete. Damit waren wir ohnehin auf klarem Wachstumskurs. Der Digitalisierungsschub, der durch die Corona-Krise ausgelöst wurde, hat unsere Auftragsbücher nochmal mehr gefüllt, als sie ohnehin schon waren. Das ist einerseits natürlich schön. Andererseits müssen die Aufträge ja auch abgearbeitet werden, was gerade mit Blick auf das Personalportfolio eine Herausforderung sein kann. Personalmarketing ist da von der Relevanz fast gleichauf mit Produktmarketing. Aber vor allem dank unseres besonderen Miteinanders konnten wir trotz Krisenmodus viele spannende Projekte schultern.
Bei uns schlug die Pandemie durch die regionale Nähe zum benachbarten Grand-Est schon zum Jahreswechsel 2019/2020 auf., Wir beschäftigen auch Grenzgängerinnen und -gänger, die in Frankreich leben. Dort waren die Infektionszahlen viel früher in die Höhe geschnellt als hier bei uns. Wir waren natürlich achtsam, nutzten mobile Lösungen, arbeiteten größtenteils aber erstmal weiter wie bisher. Die Lage spitzte sich weiter zu… bis zum 11. März 2020. An diesem denkwürdigen Tag haben wir im Managementboard entschieden, dass wir das ganze Unternehmen in den Remote-Zustand versetzen. Das ging deshalb, weil unsere Mitarbeitenden dank unserer Initiativen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie schon komplett mobil ausgestattet und die Abteilungsleitenden deshalb auf hybrides Führen vorbereitet waren. Einen technischen Stresstest, wo alle gleichzeitig von zu Hause aus auf unsere Server zugreifen, hatten wir mit ein paar Schweißtropfen auf der Stirn unseres Systemadministrators schon vorher erfolgreich bestanden. So war innerhalb von vier Stunden das ganze Haus bis auf ein kleines Serviceteam leer. Das war schon ein merkwürdiges Gefühl: Niemand wusste, wann wir uns wie live wiedersehen. Wir kannten zwar das mobile Arbeiten schon, aber echte Begegnung war uns trotzdem sehr wichtig. So haben wir uns schnell darauf geeinigt, künftig über MS Teams zu kommunizieren und auch Regeln dafür in einem kleinen Homeoffice-Guide festgehalten (Kamera an, Mikro aus, wenn man nicht spricht, genug Pausen machen usw.). Auch haben wir unseren Führungskräften zusätzliche Zeiten eingeräumt, um auf die Menschen und ihre individuellen Probleme noch mehr eingehen zu können. Zuhören und miteinander sprechen waren das Gebot der Stunde.
Was macht Euer besonderes Miteinander denn noch aus und wie hat es sich bewährt?
Wir führen sehr stark partizipativ, d.h. wir versuchen, möglichst jede und jeden der mittlerweile 60 Mitarbeitenden zu beteiligen und mitzunehmen bei Entscheidungen und neuen Prozessen. Wir haben dadurch eine sehr hohe Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen, was sich zum Beispiel in einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 5,2 Jahren äußert. Das ist für ein IT-Unternehmen absolut überdurchschnittlich und darauf sind wir auch stolz. Auch mit über 30 Prozent Entwicklerinnen liegen wir über dem Branchendurchschnitt. Als Arbeitgeber attraktiv für Frauen zu sein, ist eine wichtige Säule unserer Rekrutierungsstrategie. Daneben pflegen wir eine „Du“-Kultur mit Kommunikation auf Augenhöhe. Wenn ich manchmal mitbekomme, wie unsere Leute da draußen über uns sprechen, dann geht mir echt das Herz auf. Das macht nicht nur Spaß, sondern zeigt ja auch, dass sich unser Engagement in dem Bereich lohnt.
Insofern waren wir mit unserer Kultur auf die Krise und den Nachfrageboom gut vorbereitet, ohne es vorher zu wissen. Einerseits hatten wir schon mobile Arbeit und konnten die Leute schnell nach Hause schicken. Andererseits hatten wir durch die hohe Bindung und den guten Zusammenhalt eben auch die Kapazitäten, die wir brauchten. Homeschooling war natürlich ein großes Thema und eine schwierige Situation für viele – dafür haben wir alles Mögliche getan, um die Freiräume zu schaffen und Arbeitszeitkonten flexibilisiert. In einer unserer „Themenpausen“ konnten sich die Betroffenen austauschen und gegenseitig unterstützen.
Wir haben darüber hinaus mit der Teamleitung eine weitere Führungslinie eingeführt, um die Projekte noch besser koordinieren zu können – alles natürlich remote. Das ist schon anspruchsvoll für alle Beteiligten. Wir sind auch weiter gewachsen, haben wie immer pro Jahr sechs bis acht Menschen eingestellt und viel investiert, um sie angemessen bei uns willkommen zu heißen – trotz all der räumlichen Distanz.
Was habt Ihr aus dieser turbulenten Zeit gelernt?
Wir haben gelernt, dass wir bisher alles richtig gemacht haben und genau diesen Weg weitergehen wollen. Wir haben ja das Motto „Nur Du zählst“ und das wirklich authentisch zu leben und umzusetzen wird unsere weitere Richtung sein. Mit unserem neuen Firmengebäude, dem IANEUM, gehen wir aktuell einen weiteren Schritt und setzen ein agil-hybrides Besetzungskonzept um. Jeder kann für sich entscheiden, wie und von wo aus er arbeiten möchte. Da wir aber auch unsere starke Präsenzkultur erhalten wollen, legen wir Wert darauf, dass die Menschen von unserem Standort aus arbeiten. Natürlich nur, wenn die Hygienevorschriften dies zulassen. Das kommt bei uns gerade super an. Am Standort verabreden sich die Teams z. B. zu gemeinsamen Sprints oder auch einzelne Kolleg:innen treffen sich, weil sie mal wieder zusammen in einem Raum arbeiten wollen. Im Prinzip entscheiden die IANEOs aber autark, wie sie arbeiten möchten – je nachdem, was gerade passend ist für Job und Privatleben.
Was würdest Du anderen Unternehmen raten?
In Sachen Flexibilität haben wir in der IT-Branche natürlich besondere Vorteile, die zum Beispiel in der Produktion oder Pflege nicht möglich sind, aber ich würde trotzdem dazu raten, so flexibel und individuell mit den Mitarbeitenden zu arbeiten wie möglich. Gerade in den sozialen Berufen dafür neue Wege zu finden, wird ein Zukunftsthema sein, das ich persönlich auch sehr spannend finde. Vielleicht muss man da auch viel mehr Vertrauen und Beweglichkeit wagen als bisher gedacht.
Lieber Thomas, vielen Dank für diese spannenden Einblicke und weiterhin viel Erfolg auf Eurem Wachstumskurs!
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