Thomas Rumpf ist seit über 39 Jahren bei der Hermann Bilz GmbH & Co. KG tätig und leitet den Bereich Konstruktion und Entwicklung. Zusätzlich betreut er die Ausbildung der Produktdesigner/innen und Industriekaufleute, die schon mehrmals am Projekt Digiscouts teilgenommen haben. Im Rahmen unseres Interviews haben wir mit ihm über erfolgreiche Azubiprojekte und die Wirkung auf Unternehmen, Beschäftigte und Azubis gesprochen.

Wie kamen es 2018 zur ersten Teilnahme am Digiscouts-Projekt?

Unser erstes Projekt im Rahmen der Digiscouts war der sogenannte Produktselektor, den wir entwickelt haben. Damals wurden wir von der IHK Region Stuttgart und der Standortinitiative Neckarwiesen angesprochen. Diese Initiative bringt die Industriebetriebe der Region zusammen und vertritt sie nach außen. Wir wollten sowieso einen Produktselektor entwickeln, weil wir bereits die AMB-Messe im Herbst im Blick hatten. Das war, glaube ich, vor etwa sechs Jahren. Unser Ziel war es, zur Messe ein funktionsfähiges System vorzustellen.

Welche Ziele haben Sie mit dem Projekt verfolgt?

Wir wollten generell stärker im Internet aktiv werden und uns neben den traditionellen Vertriebswegen auch auf anderen Kanälen bekannt machen. Das Digiscouts-Projekt passte da perfekt rein, und so konnten wir den Produktselektor im Rahmen dieses Programms entwickeln und umsetzen. Es war wirklich sehr erfolgreich. Ein damaliger Azubi hat eine Art Online-Katalog unserer Produkte aufgebaut, in dem über die Abfrage bestimmter Parameter gezielt passende Produkte ausgewählt und bestellt werden können – und das in verschiedenen Sprachen. Wir haben den „Produkt Selektor“ dann gerade so zur AMB-Messe in Stuttgart fertiggestellt. Das war ein Riesenerfolg und kam bei allen Beteiligten und Kunden sehr gut an.

Wie verlief die Umsetzung?

Wir haben es tatsächlich geschafft, den Produktselektor pünktlich zur AMB-Messe fertigzustellen – auch wenn das teilweise mit Spätschichten und viel Einsatz verbunden war. Der damalige Auszubildende hat das Projekt sehr gut umgesetzt. Natürlich haben wir ihm auch die nötigen Freiräume geschaffen, denn mit nur zwei Stunden pro Woche, wie es bei den Digiscouts oft empfohlen wird, kann man ein solches Projekt nicht realisieren. Wir haben das Projekt zusätzlich mit externer Hilfe von Programmierern unterstützt.

Wie hat sich der Erfolg Ihres Projekts konkret geäußert?

Der Erfolg hat sich auf verschiedene Weisen gezeigt. Zum einen ging es darum, dass wir durch das Internet für Kunden besser auffindbar wurden. Wenn jemand nach bestimmten Stichworten sucht, findet er uns direkt und kann sofort eine Anfrage stellen – auch von Kunden, die wir bisher gar nicht kannten. So kamen Anfragen aus der ganzen Welt.

Welche Vorteile hat das für Ihren Vertrieb gebracht?

In unserer Vertriebsabteilung sind wir nur begrenzt erreichbar – von morgens um 7 bis nachmittags um 16:30 Uhr. Wenn jemand jedoch am Sonntagnachmittag feststellt, dass er ein bestimmtes Werkzeug benötigt oder wissen möchte, ob es verfügbar ist, konnte er uns bisher nicht erreichen. Durch die Online-Präsenz können Kunden jetzt aber jederzeit aktiv werden und direkt mit uns in Kontakt treten.

Hat das zu konkreten neuen Geschäften geführt?

Ja, es war tatsächlich so, dass ganz neue Kunden auf uns zugekommen sind, die sich später zu dauerhaften Geschäftsbeziehungen entwickelt haben. Es ist schwierig, das in genauen Zahlen auszudrücken – wie viele Kunden wir gewonnen haben oder wie viel zusätzlichen Umsatz wir generiert haben. Aber subjektiv war das auf jeden Fall ein Erfolg.

Welche Projektideen haben Ihre Auszubildenden noch im Betrieb umgesetzt?

Ein weiteres spannendes Projekt war die Erstellung von Animationen. Wir haben spezielle Werkzeugsysteme, die in einer bestimmten Reihenfolge zusammengebaut und montiert werden müssen. Das allein auf Papier oder telefonisch zu erklären, ist immer sehr schwierig. Das gleiche Problem hatten wir bereits bei unserem Produktkonfigurator. Früher haben wir versucht, solche komplexen Systeme in Papierkatalogen zu erklären, aber es ist nicht einfach, dem Kunden verständlich zu machen, welche Komponenten zusammengehören.

Wie haben Sie dieses Problem gelöst?

Online lässt sich das natürlich viel besser darstellen. Unsere Azubis hatten die Idee, statt langer schriftlicher Erklärungen Videos und Animationen zu erstellen. Wir arbeiten mit CAD, und darüber können wir sehr realitätsnahe Darstellungen umsetzen. Diese Animationen haben wir dann für verschiedene Werkzeugsysteme erstellt. Aktuell nutzen wir sie zum Beispiel auf Messen: An unserem Stand haben wir Tablets installiert, auf denen die Videos laufen. So zeigen wir, wie und wofür unsere Werkzeuge eingesetzt werden – insbesondere, wenn es sich um erklärungsbedürftige Produkte handelt.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Ja, zum Beispiel haben wir spezielle Werkzeuge für die Rückwärtsbearbeitung. Das ist nicht sofort für jeden verständlich. Mit der Animation kann man den Ablauf viel besser nachvollziehen. Besonders bei Zerspanungswerkzeugen ist es schwierig, das in realen Videos zu zeigen, weil beim Filmen ständig Kühlmittel spritzt und man oft kaum etwas sieht. In der Animation hingegen kann man den Vorgang viel klarer und deutlicher darstellen.

Was war für Sie ein zentrales Ziel bei der Teilnahme am Projekt Digiscouts?

Zum einen wollen wir die Auszubildenden natürlich begeistern und motivieren, selbstständig Projekte zu planen und durchzuführen. Das ist ja auch sehr spannend, wenn sie lernen, wie man einen Projektantrag erstellt und dann tatsächlich die Verantwortung übernimmt. Sie kommunizieren mit allen Ebenen im Unternehmen, nicht nur innerhalb ihres Lehrbetriebs, sondern arbeiten wirklich selbstständig und packen Dinge an. Dabei lernen sie unheimlich viel – und nicht nur die positiven Aspekte, sondern auch, wie man mit Herausforderungen umgeht. Diese Erfahrung ist enorm wertvoll.

Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Besonders spannend ist, dass die Jugendlichen ganz anders an solche Aufgaben herangehen als die Älteren. Sie sind mit der Technik und den digitalen Werkzeugen aufgewachsen, das ist für sie ganz normal. Diese Fähigkeiten ins Unternehmen einzubringen, ist eine großartige Möglichkeit, den Betrieb voranzubringen. Gleichzeitig schafft es eine positive Dynamik, wenn die jüngeren Mitarbeitenden zeigen, dass solche Aufgaben kein Hexenwerk sind. Das motiviert dann vielleicht auch ältere Kollegen, sich diesen neuen Herausforderungen zu stellen.

Haben Sie erlebt, dass ältere Mitarbeitende durch die Zusammenarbeit mit den Auszubildenden inspiriert wurden?

Ja, absolut. Wir haben gemerkt, dass es zu einem generationenübergreifenden Austausch kommt. Wenn die Jüngeren zeigen, dass sie diese Projekte erfolgreich umsetzen können, sinkt die Hemmschwelle bei den älteren Mitarbeitenden Sie sehen, dass es machbar ist, und das fördert die Bereitschaft, Neues auszuprobieren. So profitieren beide Seiten und das Unternehmen als Ganzes entwickelt sich weiter.

Welche Wirkung hatten die Projekte auf die Auszubildenden?

Die Wirkung auf die Auszubildenden war definitiv positiv. Sie haben gesehen, dass sie mit ihren Talenten wirklich etwas bewegen können und dass es möglich ist, erfolgreich Projekte umzusetzen. Besonders bei den Digitalisierungsprojekten haben sie gemerkt, dass solche Vorhaben machbar sind und gar nicht so kompliziert sein müssen. Das gibt ihnen natürlich auch Selbstvertrauen, solche Projekte eigenständig durchzuführen, unabhängig von externen Programmen wie den Digiscouts.

Hat das auch Auswirkungen auf das Unternehmen gehabt?

Absolut. Ein gutes Beispiel ist der zuvor erwähnte Produktselektor. Das Projekt hat dem Unternehmen definitiv geholfen, nicht nur, weil wir neue Kunden erreichen konnten, die wir auf anderen Wegen wahrscheinlich nie erreicht hätten, sondern auch, weil es unsere internen Abläufe im Vertrieb erleichtert hat. Früher haben viele Kunden angerufen, um zu fragen, ob ein bestimmtes Werkzeug auf Lager ist oder welches Werkzeug sie für eine spezielle Anwendung benötigen. Diese Routinetätigkeiten haben nun abgenommen, da der Produktselektor diese Fragen bereits beantwortet. Das entlastet unsere Mitarbeitenden und macht es auch für die Kunden einfacher, die benötigten Informationen schneller zu finden, ohne mehrfach anrufen zu müssen.

Das klingt nach einer Win-win-Situation. Hat das Projekt auch langfristig die Motivation der Azubis beeinflusst?

Ja, ich denke schon. Solche Projekte fördern das Engagement der Auszubildenden und zeigen ihnen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Wenn sie sehen, dass sie durch ihre Projekte einen echten Mehrwert schaffen, ist das sicherlich motivierend. Es erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie nach der Ausbildung bei uns bleiben und weiter an solchen Projekten arbeiten wollen. Das ist definitiv eine positive Wirkung, die man nicht unterschätzen sollte. Es hebt sich von einer herkömmlichen Ausbildung ab und zeigt den Azubis, dass sie Teil einer wichtigen Entwicklung im Unternehmen sind.

Einer unserer Auszubildender hat zum Beispiel nach seinem erfolgreichen Ausbildungsabschluss ein Studium im Bereich Digital Business Management begonnen. Im Rahmen dieses Studiums hat er den von ihm während der Ausbildung entwickelten Produktselektor weiter ausgebaut. Er hat also nicht nur während der Ausbildung von dem Projekt profitiert, sondern es auch in seine weitere berufliche und akademische Laufbahn integriert.

Wie hilft Ihnen das Projekt konkret in Ihrer Rolle als Ausbilder?

Solche Projekte sind ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung, weil sie den Auszubildenden helfen, Kompetenzen zu entwickeln, die sie im späteren Berufsleben brauchen. Es geht dabei nicht nur um die fachlichen Fähigkeiten, sondern auch um Dinge wie Projektarbeit und Präsentation. Besonders in der Praxis bekommen die Auszubildenden Routine darin, und das ist für ihre Entwicklung enorm wichtig.

Inwiefern passt das zu den Ausbildungsinhalten, die Sie sowieso abdecken müssen?

Es schlägt tatsächlich zwei Fliegen mit einer Klappe. Viele der Themen, die durch solche Projekte abgedeckt werden, sind ohnehin Teil der Ausbildung. Besonders bei den Industriekaufleuten ist das aktuell relevant, da im September ein neues Berufsbild in Kraft getreten ist, das Digitalisierung nun explizit beinhaltet. Vorher war Digitalisierung in der Ausbildung kein Thema, aber durch Projekte wie die Digiscouts haben wir uns bereits früh mit diesen Inhalten beschäftigt, bevor sie offiziell Teil des Lehrplans wurden.

Gibt es auch Herausforderungen bei der Umsetzung solcher Projekte?

Natürlich muss man immer abwägen, was ein Projekt tatsächlich bringt und ob es sinnvoll ist. Manchmal gibt es auch Nachteile, aber im Großen und Ganzen sind es wertvolle Erfahrungen für die Auszubildenden. Es gab wirklich tolle Projekte, die sich für alle Beteiligten als sehr sinnvoll erwiesen haben.

Vielen Dank für das Interview und die Einblicke in Ihren Betrieb!

 

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