Voll digital - voll menschlich
Das Unternehmen WS Kunststoff-Service GmbH mit Sitz in Stuhr-Seckenhausen wurde 2011 von Geschäftsführer Wassim Saeidi gegründet. Zurzeit werden rund vierzig Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Kerngeschäft des Unternehmens ist die Baugruppenmontage in Einzel- und Serienfertigung, unter anderem für die Automobilindustrie. Anlagen und Vorrichtungen für die Bearbeitung und Montage werden weitgehend selbst gebaut und erlauben eine kundenindividuelle Dienstleistung. Für gleichbleibende Qualität und Effizienz setzt das Unternehmen auf Digitalisierung und Vernetzung. Wir unterhielten uns mit Jörg Naffin über den Nutzen von Industrie 4.0-Lösungen für die Mitarbeiter.
Herr Naffin, in seinen Leitlinien bekennt das Unternehmen WS Kunststoff-Service GmbH:
Wichtigster Akteur und Erfolgsfaktor ist und bleibt der Mensch."
Wie nutzen Sie innovative Technologien, um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern?
Die Kollegen in der Baugruppenmontage und Produktion tragen beispielsweise leichte Datenbrillen. Über Kameras und Sensoren wird der gesamte Produktionsprozess überwacht. Ein Warnhinweis zeigt an, wenn ein falsches Bauteil eingesetzt wird. Ein Smiley „belohnt“ den erfolgreich abgeschlossenen Montagevorgang. Das bedeutet, dass an dieser Stelle Fehler praktisch nicht mehr möglich sind. Das umständliche Blättern in Dokumentationen und Handbüchern entfällt und die Kolleginnen und Kollegen haben für Ihre Tätigkeiten beide Hände frei. Die Wearables sorgen dafür, dass der Mitarbeiter direkt im Arbeitsprozess lernen kann. Denn sie zeigen Schritt für Schritt, was zu tun ist und welche Komponenten eingesetzt werden. Die Anleitung kann beliebig oft wiederholt werden, bis der Mitarbeiter sich wirklich sicher fühlt. Das ist natürlich in der Einarbeitungszeit für Anfänger besonders hilfreich.
Heute schon erübrigt sich der Weg durch die Produktionshalle zum Qualitätsbeauftragten, wenn etwa ein Bauteil einer Untersuchung unterzogen werden soll. Der QM-Mitarbeiter kann über die Kamera der Datenbrille das Bauteil direkt an seinem Bildschirmarbeitsplatz sehen und sich über die Audiofunktion mit dem Montagearbeiter verständigen. In Zukunft werden wir in Verbindung mit unserer Wissensdatenbank die Montagemitarbeiter dazu befähigen, Fragestellungen selbständig anhand unserer neuen digitalen Qualitätskarten zu lösen, die auf ihren Tablets direkt am Arbeitsplatz abrufbar sind. Die Wissensdatenbank ist auch wichtig, damit das kostbare Wissen unserer Mitarbeiter nicht verloren geht und jederzeit verfügbar ist. Sie kann mit unterschiedlichen Zugriffsrechten von allen Beschäftigten für den jeweiligen Arbeitsbereich gespeist und genutzt werden.
Wie können wir uns die Maschine-Mensch-Kollaboration in Ihrem Unternehmen vorstellen?
Wir arbeiten unter anderem mit Leichtbaurobotern. Sie übernehmen die unangenehmeren Aufgaben, oder solche, bei denen es auf absolute Genauigkeit und Reproduzierbarkeit ankommt. Dazu gehört beispielsweise das definierte Dosieren von Klebematerialien. Früher wurden zum Beispiel durch das Aufbringen zu großer oder zu geringer Mengen Klebstoff häufig Nacharbeiten erforderlich. Heute hat der Werker dank der kollaborativen Arbeitsplätze (Mensch & Leichtbauroboter) mehr Zeit, auf die Qualität der Produkte zu achten. Und er bestimmt den Takt. Der Roboter kann sich ebenfalls individuell auf den Mitarbeiter einstellen und beachtet zum Beispiel, ob er es mit einem Rechts- oder Linkshänder zu tun hat. Unsere selbst entwickelte Mitarbeiter-App liefert ihm die individuellen Daten zur optimalen Einrichtung der Ergonomie.
Die Mitarbeiter-App ist durch ein individuelles Password geschützt und enthält alle relevanten Daten jedes einzelnen Beschäftigten. Sie macht unsere Personalarbeit sehr effizient, gleichzeitig dient sie als Grundlage zur Lokalisierung und Identifizierung des Mitarbeiters. Die Pflege der eigenen persönlichen Daten, Antragsformulare, Terminsteuerung und -überwachung beispielsweise für Schulungen sowie die Übermittlung von Auftragsdaten werden über diese App gezielt gesteuert und daher wesentlich vereinfacht.
Welche Rolle spielen Ihre Mitarbeiter bei der Planung neuer digitaler Einsatzfelder und der Prozessoptimierung?
Wir beziehen die Mitarbeiter aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen und Teams stets frühzeitig ein. Denn sie kennen ihre Prozesse natürlich am besten und können daher an Lösungen kompetent mitwirken. Das Voneinander-Lernen, das „über die Schulter schauen“ genießt bei uns einen hohen Stellenwert. Durch eine offene Kommunikation lassen sich zudem mögliche Widerstände bei der Einführung neuer Technologien am besten vermeiden. Natürlich sind Bedenken, dass die Technik zum Beispiel auch zur Verhaltenskontrolle eingesetzt werden kann, berechtigt. Es ist ebenfalls nachvollziehbar, dass Mitarbeiter fürchten, ihren Arbeitsplatz an den Kollegen Roboter zu verlieren. Deshalb muss die Unternehmensführung hierzu klar Stellung beziehen und durch einen vertrauensvollen Umgang Sorgen und Ängste der Mitarbeiter abbauen.
Verbesserungsvorschläge sind sehr willkommen und können ebenfalls über unsere Mitarbeiter-App eingereicht werden. Durch das elektronische Hilfsmittel geht uns keine Idee verloren und der Bearbeitungsstatus des Verbesserungsvorschlags kann vom Mitarbeiter jederzeit eingesehen werden. Vorschläge zur Optimierung können auch Gegenstand unserer Trendboard-Meetings werden, die täglich zwischen Geschäftsführung, Office-Mitarbeitern und Teamleitern aus der Produktion stattfinden.