"Fachkräftemangel war für uns immer ein großes Thema. Als Dienstleistungsunternehmen ist unser Produkt ja der Mitarbeitende“ sagt Manuel Pistner, Geschäftsführer der Bright Solutions GmbH, einem IT-Unternehmen aus Darmstadt. Bright Solutions bietet ein vielfältiges Leistungsportfolio, von Softwareentwicklung über Projektmanagement bis hin zu digitalem Marketing und Marketingstrategieentwicklung. "Früher“ sagt Pistner war es "nur Softwareentwicklung in einem sehr spezifischen Bereich“. Früher, das war 2018 und das damalige Unternehmen lässt sich kaum noch mit dem heutigen vergleichen.
Eine existenzielle Krise als Wendepunkt hin zur virtuellen Organisation
Damals sah sich Pistner mit seinem festen Stamm an Mitarbeitenden in einem ständigen Dilemma: “Entweder hatten wir zu wenige Kunden, um kostendeckend zu arbeiten oder wir hatten zu viele Aufträge und uns fehlten Mitarbeitende, um die Aufträge zu stemmen.“ Zwar saß das Unternehmen mit der TU Darmstadt quasi direkt an der Quelle für junge IT-Fachkräfte. Aber diese waren so gefragt, sodass selbst der Standortvorteil verpuffte.
Pistner drängte sich immer öfter die Frage auf: "Es gibt so viele gute Leute weltweit. Warum beschränke ich meine Suche auf einen so engen Radius rund um meinen Standort?"
Er begann mit ein paar Freelancern zusammenzuarbeiten, die er persönlich europaweit rekrutierte. Oftmals fanden diese flexiblen Fachkräfte aber nach wenigen Monaten in den USA Unternehmen, die noch mehr bezahlen konnten. Gleichzeitig beschäftigte er sich mit der Idee eines globalen virtuellen Teams:
Mit Hilfe von Technologie flexible Teams zugänglich zu machen mit genau den Fähigkeiten, die benötigt werden, genau dann, wann ich sie brauche.
Ein faszinierender Gedanke, doch Pistner blieb zunächst skeptisch.
Der Wendepunkt kam im Jahr 2018 in Form einer unternehmensbedrohlichen Krise. Bei einem großen Projekt wurde ein Arbeitspaket übersehen: die Migration von 8.000 Webseiten. Viel zu spät fiel das Versäumnis dem Projektmanager auf. "Zu spät, um neue Mitarbeitende einzustellen. Lokale Partner einbinden? Zu kostspielig.“ Versuche, das Arbeitspaket outzusourcen scheiterten: Vier Tage vor der Übergabe an die Kundschaft ließ auch das letzte beauftragte Dienstleistungsunternehmen Pistner mit einem Berg an offener Arbeit im Stich. Mit dem Rücken zur Wand rekrutierte Pistner am nächsten Tag 23 Freelancer über Onlineplattformen und organisierte die Zusammenarbeit mit diesen. Ein verzweifelter letzter Versuch, der glückte. In den verbliebenen vier Tagen leisteten die Freelancer ganze Arbeit und migrierten erfolgreich mehrere tausend Seiten. Danach war für Pistner klar, dass er in Zukunft nur noch so arbeiten wollte.
Abläufe, Tools und Führungskultur: Virtuelle Teams sind mehr als Freelancer
"Da draußen gibt es ja genügend Leute. Die Frage ist nur, wie finde ich die Richtigen, wie führe ich sie und wie mache ich ihre Interessen zu meinen?“ Pistners Lösung fängt schon bei der Teamzusammenstellung an: "Denn 80 % der Freelancer auf den Plattformen sind Anfänger.“ Seine Recruiter bekommen deshalb klare Stellenbeschreibungen an die Hand und ein ausgefeiltes Assessment, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
Der Kern sind Klarheit und Transparenz über Ziele und Zuständigkeiten sowie eine Kultur der Unterstützung statt eines Top-down-Managements.
Was ist das Ergebnis, wenn eine Rolle ihre Arbeit gut macht? Wie können wir Fortschritt und Ergebnis transparent machen für alle Beteiligten? Diese Fragen gilt es genau zu beantworten, um eine solide Orientierung zu schaffen, sei es fürs Recruiting, fürs Onboarding oder für jeden einzelnen Freelancer.
Pistner setzt zudem auf strukturierte, aber asynchrone Arbeits- und Kommunikationsprozesse. Damit sind auch verschiedene Zeitzonen und unterschiedliche Arbeitszeiten keine Hürden mehr. Die Teams agieren in diesem Rahmen selbstorganisiert. "Mir ist es egal, was die Mitarbeitenden machen. Was zählt ist, dass sie definierte Ergebnisse abliefern und dafür die notwendige Unterstützung erhalten.“ Eine digitale Infrastruktur und definierte Prozesse unterstützen die dezentrale und selbstorganisierte Zusammenarbeit. Bestandteile dieses digitalen Führungssystems sind etwa Onboarding-Videos, Taskmanagement, Chats, Videoreportings, Dateiablage, automatisierte Zielerreichungskontrollen über Chatbots oder ein Vier-Augen-Reviewprinzip zur Qualitätssicherung. Dabei spielen die Automatisierung der Abläufe und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz eine zunehmend größere Rolle.
Virtuelle Teams: Auch ein Modell für andere Unternehmen?
Heute arbeitet Bright Solutions nur noch virtuell. Die zwölf festangestellten Mitarbeitenden betreuen die Kundschaft und koordinieren ein Netzwerk aus 158 Freelancerinnen und Freelancern, mit völlig unterschiedlichen Spezialisierungen.
Bei uns geht es heute nicht mehr so sehr darum, die richtigen Kompetenzen im Unternehmen zu haben, sondern vor allem darum, die richtigen Teams, mit den richtigen Skills zusammenstellen und führen zu können.
Eine neue Kernkompetenz, die dem Unternehmen ein breites Leistungsportfolio ermöglicht und es flexibel und agil macht in einem sehr dynamischen Markt.
Manuel Pistner, das spürt man zu jedem Moment, ist begeistert von einer stressfreieren Art der Unternehmensführung und den gewonnenen strategischen Möglichkeiten. Deshalb hat er seine Prinzipien bereits auf ein weiteres Softwareunternehmen übertragen. Mit Erfolg: Das Unternehmen konnte seinen Umsatz verdoppeln und den Gewinn verdreifachen.
Inzwischen hat er ein weiteres Unternehmen gegründet und begleitet damit andere dabei, vom globalen Talentpool zu profitieren und virtuelle Teamarbeit zu etablieren. "Aktuell stehen zwar Agenturen und digitale Dienstleistungsunternehmen im Fokus. Aber das System funktioniert für alle Unternehmenstypen und -abteilungen, die physisch nicht vor Ort sein müssen. In vielen Unternehmen etwa das gesamte Marketing und die ganze Administration.“
Das Unternehmen:
Bright Solutions GmbH
Branche: IT-Dienstleistungen
Mitarbeitende: 12
Ort: 64293 Darmstadt
URL: www.brightsolutions.de